Aktuelles Interview über Product Placement
Vor gut einem Jahr gründeten die beiden Ex-ProSiebenSat.1-Mitarbeiterinnen Kerstin Bensch und Jeannine-Denise Stuiber die Agentur Particibrand. Im Interview sprechen sie über den Status Quo. Text: W&V Redaktion
Seit 2010 ist Product Placement auch im TV möglich – in den vergangenen zwölf Jahren hat sich dabei einiges getan. Was, das wissen Kerstin Bensch und Jeannine-Denise Stuiber, die die Agentur Particibrand gegründet haben, die sich auf Product Placement und Branded Entertainment spezialisiert hat. Im Rahmen der Screenforce Academy haben wir mit den beiden gesprochen.
Frau Bensch, Frau Stuiber, in den Kinos läuft der neue James Bond, der auch bekannt ist für sein Product Placement. Was wir im Kino schon lange kennen, ist im TV-Geschäft erst seit 2010 möglich. Wie hat sich das Thema Product Placement im Fernsehen seitdem entwickelt?
Kerstin Bensch: Ist der Brand- und Zielgruppenfit gegeben und das Produkt nativ in die Story eingebunden, wird die Marke im Kopf des Zuschauers verankert. Seit der Liberalisierung des Rundfunkstaatsvertrags gibt es auch im TV und Streaming-Geschäft zahlreiche Beispiele, die mit dem James Bond mithalten können. Seitdem hat sich eine Menge getan. Werbungtreibenden Unternehmen stehen allein schon aufgrund des immensen Ausbaus des Angebots an lokalen Formaten diverse Möglichkeiten offen, mit ihren Marken Teil des Contents zu werden.
Was ist in Deutschland im Bewegtbildbereich erlaubt, was verboten?
Jeannine-Denise Stuiber: Während Product Placement in Kinofilmen ohne weiteres zulässig ist, ist es im TV und bei Streaming-Angeboten in Sendungen der sogenannten leichten Unterhaltung möglich, das heißt in Entertainment Shows, fiktionalen Programmen wie Serien, TV-Movies, Dokutainment-Formanten sowie Comedy- und Sportsendungen. Produktplatzierungen in Kindersendungen, Dokumentationen, Informations- und Nachrichtensendungen sind tabu. Voraussetzung für Produktplatzierungen ist die redaktionelle Notwendigkeit, Placements dürfen dabei jedoch nicht zu werblich oder zu stark herausgestellt werden. Die redaktionelle Hoheit muss gewahrt werden. Formate, in denen Marken integriert sind, müssen die Kennzeichnung „P – Unterstützt durch Produktplatzierung“ zu Beginn jeder Sendung und nach jedem Werbeblock für mindestens drei Sekunden aufführen.
Welche Formate bieten sich besonders an?
Bensch: Shows, Serien, Filme, Factual Entertainment, Dokutainment oder Comedy. Wenn wir von Product Placement und Branded Content sprechen, denken wir aber nicht nur an das klassische lineare Fernsehen. Marken und Produkte lassen sich auch integrativ in Streaming Originals und Webisodes einbinden. Nie zuvor war das Angebot so groß wie heute. Entsprechend steigt auch die Nachfrage.
Sind Produktplatzierungen effektiver als klassische Werbung?
Bensch: Gut gemachte Placements funktionieren auch „stand-alone“, aber es gilt schon: Der Mix macht’s. Placements gelten als die Königsdisziplin, die die klassischen Werbemaßnahmen kongenial abrunden. Markenartikler setzen neben ihren effizienzgetriebenen Kampagnen verstärkt auf integrative Lösungen, um mit diesen genau da anzusetzen, wo die klassischen Maßnahmen aufhören, das heißt: Imagetransfer, Storytelling, Emotionalisierung. Bei SVo-D-Angeboten haben wir zudem die Situation, dass Zielgruppen dort mit Spots gar nicht erreicht werden können. Markensichtbarkeiten sind hier nur über integrative Werbeformen möglich, abgesehen von Sponsoring.
Wenn es um TV-Werbeformen jenseits der Werbeblöcke geht, ist neben Product Placement oft auch von Branded Content die Rede. Was ist der Unterschied?
Stuiber: Im Gegensatz zum Product Placement geht es bei Branded Content ja darum, nicht auf bestehenden Content aufzusetzen, sondern vielmehr ein eigenes, redaktionell anmutendes Format zu entwickeln, das von Marken initiiert und finanziert wird und über TV-Sender, Streaming-Dienste, Social-Media-Kanäle oder owned Channels distribuiert wird. Was beide Disziplinen verbindet: Die enge Verzahnung von Marke und Content und die damit einhergehende Identifikation der Zielgruppe und der positive Imagetransfer.
Worauf müssen Marken achten?
Stuiber: Es ist unerlässlich, tief in die Markenwelten einzutauchen und sich detailliert mit Zielen und Zielgruppen zu befassen. Um es an einem Beispiel festzumachen: Einfach mal eine Getränkeflasche ins Set zu stellen, würde dem Thema Product Placement nicht gerecht. Vielmehr geht’s darum, Marken als Teil der Handlung zu inszenieren und damit zu emotionalisieren. Nur so lassen sich Markenbilder schärfen und Images aufbauen.
Product Placement ist ja auch das Fundament vieler Influencer-Kampagnen. Wo sehen Sie Gemeinsamkeiten, wo Unterschiede?
Bensch: Die Möglichkeiten, im Rahmen von Influencer-Kampagnen Product Placements und Branded Content einzubinden, sind enorm. Oftmals sind diese beiden Werbeformen inzwischen sogar das Fundament der Kampagnen und nicht nur die Kür. Wie im klassischen TV- und Streaming-Bereich ist auch hierbei der perfekte Fit zwischen Marke und Creator entscheidend. Aufgrund der besonders engen Bindung der Influencer zu ihren Communities gilt es hier besonders darauf zu achten.
Wo sehen Sie den Product Placement- und Branded Entertainment-Markt in den kommenden fünf Jahren?
Bensch: Der Markt wächst und auch die Offenheit. Das liegt zum einen darin begründet, dass der Content-Bedarf steigt, nicht aber gleichsam die Produktionsbudgets. Product Placement ist hier ein attraktives Tool, um Zusatzbudgets zu generieren. Andererseits ist Product Placement gelernt und professionalisiert, Berührungsängste wie noch vor einigen Jahren gibt es nicht mehr. Daraus ergeben sich mehr und mehr Flächen für Produktinszenierungen.
Stuiber: Die Entwicklung beim Product Placement zeichnet sich vor allem in der Integrationstiefe ab. Produkte und Dienstleistungen werden immer stärker mit dem Inhalt, der Handlung verwoben, was zu höherer Akzeptanz bei Zuschauern und Usern führt. Darüber hinaus geht der Trend dahin, Product Placements über verschiedene paid und owned Channels weiterzuerzählen, sprich die Strahlkraft des redaktionellen Formates und seiner Faces zu nutzen und zu verstärken. Das erfolgt einerseits durch die Content-Anbieter selbst, Stichwort digitale Spin-offs, andererseits durch die Brands.
Bensch: Marken nutzen den Awareness-Boost des Placements oder der Schauspieler, Moderatoren, Influencer, indem sie diese als Protagonisten im eigenen Branded Entertainment-Format einsetzen. Das heißt, Product Placement und Branded Content werden zunehmend vernetzter, sowohl inhaltlich als auch transmedial.
Das Interview ist in der W&V erschienen. Link: https://www.wuv.de/specials/backstage_total_video/produkte_werden_immer_staerker_mit_inhalten_verwoben